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Warum Diskriminierung im Job kein Tabuthema ist – sondern ein Rechtsverstoß. Was Arbeitgeber dürfen – und was ganz sicher nicht und was du machen kannst, wenn sie es doch tuen.


I. Einleitung


Rund ein Drittel unseres Tages verbringen wir mit Arbeit – in Büros, im Homeoffice, auf Baustellen, in Ateliers oder auf der Bühne[1]. In dieser Zeit sind wir nicht nur Kollegen, Angestellte oder Führungskräfte – wir sind Menschen mit Persönlichkeit, Geschichte und Identität. Gerade deshalb ist es von zentraler Bedeutung, dass wir uns am Arbeitsplatz sicher, respektiert und als ganze Person gesehen fühlen – unabhängig davon, wen wir lieben, welchem Geschlecht wir uns zugehörig fühlen oder wie wir unsere Identität leben.

Doch noch immer erleben queere Menschen im Arbeitskontext Ausgrenzung, subtile Abwertungen oder gar offene Diskriminierung. Um dem entgegenzuwirken, wurde im Jahr 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eingeführt – ein rechtliches Fundament, das Diskriminierung in Bewerbung, Beruf und Beschäftigung verbietet. Ein Kommentar dazu, was das Gesetz konkret schützt, welche Grenzen es kennt und warum es gerade für LGBTIAQ+ Personen so wichtig ist.



II. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – ein Schutzschild gegen Diskriminierung

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist seit dem 18. August 2006 in Kraft[2] und bildet das zentrale rechtliche Instrument gegen Diskriminierung in Deutschland. Es verfolgt das Ziel, Benachteiligungen aus Gründen wie ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Identität zu verhindern oder gar zu beseitigen.

Der Schwerpunkt des Gesetzes liegt dabei im Arbeitsleben: Arbeitgeberinnen dürfen Beschäftigte und Bewerberinnen nicht ungleich behandeln, etwa beim Zugang zu Beschäftigung, bei Beförderungen, Entlohnung, Kündigungen oder im Arbeitsalltag. Darüber hinaus gilt das AGG auch in bestimmten zivilrechtlichen Lebensbereichen, etwa beim Zugang zu Mietwohnungen, im Bildungswesen oder im Bereich der sogenannten Massengeschäfte – also überall dort, wo Menschen „alltägliche“ Leistungen in Anspruch nehmen, wie z. B. in Hotels, Restaurants oder Geschäften[3].

Das Gesetz verpflichtet nicht nur Arbeitgeberinnen zu fairem Umgang, sondern auch Kolleginnen untereinander: Belästigungen, Mobbing oder Ausgrenzung am Arbeitsplatz können ebenfalls unter das Diskriminierungsverbot fallen und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Besonders wichtig für queere Menschen: Der Begriff der „sexuellen Identität“ ist bewusst weit gefasst und umfasst sowohl die sexuelle Orientierung als auch geschlechtliche Selbstverortung – ein wichtiger Schritt hin zu mehr rechtlicher Sichtbarkeit und Schutz.



III. Was versteht das AGG unter „sexueller Identität“?

Im Rahmen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes umfasst der Begriff der „sexuellen Identität“ mehrere Dimensionen[4]. Er ist zwar sprachlich nicht ganz präzise gewählt, rechtlich aber dennoch von großer Bedeutung. Einerseits bezieht sich der Begriff auf die sexuelle Orientierung eines Menschen – also darauf, ob sich eine Person emotional und sexuell zu Menschen eines anderen oder desselben Geschlechts hingezogen fühlt. Vor allem aufgrund der historisch wie gegenwärtig bestehenden Diskriminierungen, zielt der gesetzliche Schutz insbesondere auf das Verbot der Benachteiligung von homosexuellen Männern und Frauen ebenso wie bisexuelle, transsexuelle oder zwischengeschlechtliche Menschen[5] ab – etwa am Arbeitsplatz oder bei der Bewerbung um eine Stelle.

Darüber hinaus erfasst der Begriff der sexuellen Identität auch das geschlechtliche Selbstverständnis eines Menschen – also, ob sich jemand als Mann, Frau oder außerhalb dieser binären Geschlechterordnung versteht. Damit sind insbesondere auch trans*, inter* und nicht-binäre Personen in den Schutzbereich einbezogen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Gesetzgeber den Wechsel des Geschlechts anerkennt oder nicht und wohl auch unabhängig davon, wie weit dieser Geschlechtswandel gediehen ist. Auch der, der noch keinen operativen Eingriff vorgenommen hat, kann auf Grund seines äußeren Erscheinungsbilds als im Geschlecht gewechselt wahrgenommen werden[6].

Nicht vom Schutz umfasst sind hingegen strafrechtlich bzw. ordnungswidrig relevante sexuelle Neigungen, etwa Pädophilie, Sodomie und Nekrophilie[7]. Die herrschende juristische Meinung geht davon aus, dass solche Neigungen nicht unter die geschützte „sexuelle Identität“ im Sinne des AGG fallen.



IV. Darf die sexuelle Identität eine Rolle bei der Bewerbung spielen?

Grundsätzlich gilt: Eine Benachteiligung aufgrund der sexuellen Identität ist unzulässig nach §2 Abs. 1 AGG. Das AGG lässt jedoch in engen Ausnahmen eine sogenannte zulässige unterschiedliche Behandlung zu. § 8 Abs. 1 AGG erlaubt eine Differenzierung, wenn ein bestimmtes Merkmal – etwa das Geschlecht oder Alter – eine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ darstellt. Entscheidend ist eine berufliche Anforderung, wenn sie für die vertragsgemäße Erfüllung der Arbeitsleistung erforderlich ist; wesentlich ist sie, wenn ein hinreichend großer Teil der Gesamtanforderungen des Arbeitsplatzes betroffen ist[8]. Der Zweck dieser Anforderung muss legitim, verhältnismäßig und die Maßnahme angemessen erscheinen[9].

Ein klassisches Beispiel hierfür wäre ein Opernhaus, das für eine weibliche Rolle ausschließlich Frauen vorsieht.

In Bezug auf die sexuelle Orientierung allerdings greift diese Ausnahme jedoch kaum. Die sexuelle Orientierung ist in aller Regel keine entscheidende berufliche Anforderung – weder im Einzelhandel noch in der Pädagogik, weder in der Verwaltung noch in der Unternehmensberatung.



V. Was ist mit religiösen Arbeitgebern?

Eine Sonderstellung nehmen Religionsgemeinschaften ein. § 9 Abs. 2 AGG erlaubt es ihnen, von ihren Beschäftigten ein Verhalten zu verlangen, das im Einklang mit ihren religiösen Überzeugungen steht[10]. Auch hier begrenzt sich der Gesetzestext jedoch vordergründig auf Religion und Weltanschauung.

Daher ist es in bestimmten Bereichen aber möglich, dass zum Beispiel katholische Träger homosexuelle Lebensweisen als unvereinbar mit ihrem Selbstverständnis werten und daraus arbeitsrechtliche Konsequenzen ableiten. Denn es besteht eine sogenannte Loyalitätsverpflichtung[11]. Die Kirche darf von Mitarbeitenden eine Loyalitätspflicht einfordern. Wer bei der Kirche arbeitet, muss etwa die "Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten". Auch darf man in der "persönlichen Lebensführung" sowie im dienstlichen Verhalten "die Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtung, in der sie beschäftigt sind, nicht gefährden"[12]. Denn wer es nicht weiß; Wie für jeden Arbeitgeber so gilt in Deutschland auch für die Kirche grundsätzlich das weltliche Arbeitsrecht. Den Kirchen ist jedoch aufgrund des verfassungsrechtlich abgesicherten Selbstbestimmungsrechtes ein besonderer Freiraum eingeräumt, ihre eigenen Angelegenheiten, zu denen auch die rechtliche Ausgestaltung ihrer Dienst- und Arbeitsverhältnisse gehört, zu regeln. Dieses Recht, das in Art. 140 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) verankert ist, ermöglicht den Kirchen die spezifische Eigenart des kirchlichen Dienstes zu formulieren und bestimmte Aspekte der kirchlichen Dienst- und Arbeitsverhältnisse nach ihrem Selbstverständnis auszugestalten[13]. Der Europäische Gerichtshof verlangt aber auch, dass die Loyalitätspflicht von den staatlichen Gerichten auf Verhältnismäßigkeit kontrolliert wird[14].

Diese Praxis ist rechtlich höchst umstritten und bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen Antidiskriminierungsrecht und Religionsfreiheit.



VI. Aber was ist eigentlich Diskriminierung im Sinne des AGGs?

Damit das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz mehr ist als nur ein symbolischer Akt, braucht es eine klare und rechtlich belastbare Definition dessen, was überhaupt als Diskriminierung gilt. Diese liefert § 3 AGG, der den Begriff der Benachteiligung in verschiedene Fallgruppen unterteilt. Gerade für queere Menschen ist es wichtig zu wissen, welche Arten von Verhalten tatsächlich als rechtswidrig diskriminierend gelten – denn nicht jede Unhöflichkeit ist gleich eine Rechtsverletzung, aber vieles, was sich schleichend oder subtil äußert, kann sehr wohl darunterfallen.


1. Die unmittelbare Benachteiligung (§ 3 Abs. 1 AGG)

Unmittelbar benachteiligt wird eine Person dann, wenn sie wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals – wie z. B. der sexuellen Identität – eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in vergleichbarer Lage.

Beispiel: Eine lesbische Bewerberin wird nach dem Vorstellungsgespräch nicht eingestellt, obwohl sie alle Qualifikationen erfüllt, mit der internen Begründung: „Wir suchen jemanden, der besser ins Team passt – wir haben hier eher eine traditionelle Atmosphäre.“ Eine solche Aussage kann – wenn sie sich auf ihre sexuelle Orientierung bezieht – eine unmittelbare Diskriminierung darstellen.

Der Fokus liegt hier auf dem direkten Kausalzusammenhang zwischen dem geschützten Merkmal und der schlechteren Behandlung. Die Diskriminierung ist hier offen erkennbar und zielgerichtet. Zu Beachten gilt, es muss mit einer anderen Person in einer vergleichbaren Situation verglichen werden und bemisst sich daran, wie diese Person es erfährt, erfahren hat oder erfahren würde[15]. Primär liegt diese unmittelbare Benachteiligung bei Ablehnung eines Vertrages, ungünstigeren Vertragsbedingungen, Schlechterstellung bei der Durchführung des Vertrags oder einer Kündigung vor[16].


2. Die mittelbare Benachteiligung (§ 3 Abs. 2 AGG)

Weniger offensichtlich, aber oft ebenso folgenreich, ist die mittelbare Diskriminierung. Sie liegt vor, wenn eine scheinbar neutrale Regelung, Maßnahme oder Praxis Menschen mit bestimmten Merkmalen faktisch benachteiligt, ohne dass dies auf den ersten Blick so aussieht.

Beispiel: Ein Unternehmen gewährt Sonderurlaub oder finanzielle Zuwendungen ausschließlich bei der Geburt eines Kindes, wenn der die Arbeitnehmerin als leiblicher Elternteil in der Geburtsurkunde eingetragen ist. Wird hingegen ein Kind durch die/den queeren Partner*in etwa durch Adoption oder im Rahmen einer Regenbogenfamilie gemeinsam erzogen, werden dieselben Leistungen nicht gewährt.

Gerade queere Menschen sind häufig von solchen strukturellen Benachteiligungen betroffen, die auf heteronormative Annahmen zurückgehen – also auf die Vorstellung, dass Heterosexualität und klassische Geschlechterrollen die „Norm“ darstellen. Auch bei einer Regelung, die in gleicher Weise für Geschützte und Nichtgeschützte benachteiligend ist, ist ein Verstoß zu vermuten, wenn sie typischerweise überwiegend Geschützte benachteiligen[17].


3. Belästigung als Diskriminierung (§ 3 Abs. 3 und Abs. 4 AGG)

Eine besonders schädliche Form von Diskriminierung stellt die Belästigung dar. Sie liegt dann vor, wenn ein Verhalten darauf abzielt oder dazu führt, dass die Würde einer betroffenen Person verletzt wird, indem ein von Einschüchterung, Anfeindung, Erniedrigung, Entwürdigung oder Beleidigung geprägtes Umfeld geschaffen wird.

Beispiel: Eine nicht-binäre Person wird im Team regelmäßig „aus Spaß“ mit dem falschen Pronomen angesprochen oder muss sich ständig rechtfertigen, warum sie einen geschlechtsneutralen Namen trägt. Oder die Kollegen lachen bei „diversen“ Einträgen in Formularen oder kommentieren abwertend queere Lebensrealitäten.

Solche Situationen sind keine „harmlosen Witze“ – sie sind rechtlich als Diskriminierung erfasst und können arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Wichtig ist: Auch ein einmaliger Vorfall kann bereits genügen, wenn er eine erhebliche Belastung für die betroffene Person darstellt. Als Belästigung zählen jegliche Beleidigung, Anfeindung, Drohungen und Mobbing[18]. Nicht wichtig ist, ob die betroffene Person vorher erklärt hat, dass sie das Verhalten ablehnt[19]. Neben der rein zwischenmenschlichen Belästigung zählt über die grundlegend schon rechtliche zu berücksichtigende sexuelle Belästigung auch diese unter Diskriminierung, wenn sie aufgrund der Schützenswerten Eigenschaft basiert[20].


4. Anweisung zur Diskriminierung (§ 3 Abs. 5 AGG)

§ 3 AGG erkennt außerdem, dass Diskriminierung nicht immer direkt durch die handelnde Person erfolgt, sondern auch durch Anweisungen: Wer andere auffordert, diskriminierend zu handeln, begeht ebenfalls eine Diskriminierung – unabhängig davon, ob die Anweisung umgesetzt wird.

Beispiel: Eine Teamleiterin weist ihre Assistenz an, Bewerbungen von „offensichtlich queeren Personen“ auszusortieren oder diese nicht zum Gespräch einzuladen. Selbst wenn dies nicht ausgeführt wird, ist allein die Anweisung rechtlich unzulässig.

Diese Vorschrift ist besonders relevant für queere Personen, weil sie zeigt: Auch das „System dahinter“ kann diskriminieren, nicht nur einzelne Individuen. Dabei ist es auch unabhängig davon Diskriminierung, sollte die Weisung umgesetzt werden, ob sie Wirkung zeigt. Auch ist nicht wichtig, ob sich der weisende seines Rechtswidrigen handeln bewusst war – Unwissenheit schützt vor strafe nicht, auch bei Alltags Diskriminierung[21].



VII. Was gilt während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses?

Neben dem individuellen Diskriminierungsschutz stärkt das AGG auch die Verantwortung der Arbeitgeber für ein diskriminierungsfreies Betriebsklima. Nach § 12 AGG sind sie verpflichtet, „alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Benachteiligungen wegen eines in § 1 genannten Grundes zu verhindern oder zu unterbinden“. Das bedeutet: Unternehmen müssen nicht nur reagieren, wenn Diskriminierung bereits stattgefunden hat – sie müssen auch vorbeugend tätig werden[22].

Dazu gehört zum Beispiel, dass Führungskräfte und Beschäftigte für das Thema sensibilisiert werden (z. B. durch Schulungen), interne Richtlinien zur Gleichbehandlung aufgestellt werden und klare Ansprechpartner*innen benannt sind. Kommt es dennoch zu diskriminierendem Verhalten – etwa durch Mobbing, Ausgrenzung oder feindselige Kommentare – muss der Arbeitgeber aktiv eingreifen: mit Ermahnungen, Versetzungen, Abmahnungen oder im Extremfall sogar Kündigungen gegenüber den Verursachenden. Dies gilt übrigens nicht nur für die Belegschaft, nein auch für Kunden, Lieferanten, Abnehmer uns sonstige Vertragspartner[23].

Tut der Arbeitgeber dies nicht, obwohl er von der Diskriminierung weiß oder wissen müsste, kann er selbst haftbar gemacht werden – insbesondere, wenn sich das diskriminierende Verhalten über längere Zeit fortsetzt oder bereits mehrfach gemeldet wurde.

Für queere Menschen im Arbeitsverhältnis bedeutet das: Ihr habt nicht nur das Recht, diskriminierungsfrei zu arbeiten – euer Arbeitgeber hat sogar die Pflicht, dafür aktiv zu sorgen.



VIII. Diskriminierung im Job – was tun? Rechte, Fristen und Realität

Kommt es am Arbeitsplatz zu Diskriminierung – sei es durch Kolleginnen, Vorgesetzte oder Kundinnen – haben Beschäftigte nach dem AGG ein klares Beschwerderecht (§ 13 AGG). Zwar sieht das Gesetz vor, dass Arbeitgeberinnen eine zuständige Stelle für solche Beschwerden benennen – etwa in der Personalabteilung oder im Betriebsrat. In der Realität fehlt eine solche offizielle Antidiskriminierungsstelle jedoch in vielen Betrieben, ist das so dann ist es der Vorgesetzte oder der Arbeitgeber selbst[24]. Die Stelle oder der Vorgesetzte ist in jedem Fall verpflichtet der Beschwerde nachzugehen und diese zu prüfen und euch darüber zu informieren zu welchem Schluss er gekommen ist und / oder welche Maßnahmen ergriffen wurden. Hier gilt das Maßregelungsverbot. Wegen einer Beschwerde darf der Beschwerdeführer selbst nicht benachteiligt werden[25].

Wichtig: Wird eine Diskriminierung nachgewiesen, können betroffene Personen nach § 15 AGG Anspruch auf Entschädigung oder Schadensersatz haben. Die Höhe hängt vom Einzelfall ab – zum Beispiel bei verweigerter Einstellung, Mobbing oder ungerechtfertigter Kündigung.

Achtung: Die Frist zur Geltendmachung beträgt nach § 15 Abs. 3 nur zwei Monate und muss schriftlich erfolgen – ab dem Zeitpunkt der Diskriminierung oder dem Moment, in dem ihr davon erfahren habt. Danach verfallen eure Ansprüche. Wer betroffen ist, sollte sich also möglichst frühzeitig beraten lassen und dokumentieren, was passiert ist.



IX. Fazit: Zwischen Fortschritt und Herausforderung

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bietet queeren Menschen einen wichtigen rechtlichen Schutz gegen Diskriminierungen im Arbeitsleben – sei es bei der Bewerbung, der Einstellung oder während des Beschäftigungsverhältnisses. Dennoch bleibt Raum für Verbesserungen. Recht allein reicht nicht. Erst durch gelebte Vielfalt, Sensibilisierung und klare Haltung in Betrieben, Organisationen und Institutionen wird aus einem Diskriminierungsverbot eine diskriminierungsfreie Wirklichkeit. Ein Gesetz allein verhindert keine Diskriminierung. Es schafft einen Rechtsrahmen, formuliert gesellschaftliche Leitlinien und bietet Betroffenen ein Instrument zur Verteidigung ihrer Rechte – aber es schützt nicht automatisch vor jedem Vorurteil, jeder Herabwürdigung, jeder strukturellen Benachteiligung. Diskriminierung passiert – im Bewerbungsgespräch, im Betrieb, im Hörsaal, bei der Wohnungssuche oder am Stammtisch. Häufig bleibt sie subtil, oft wird sie verdrängt – und manchmal schlichtweg ignoriert.

Wenn ihr das Gefühl habt, aufgrund eurer sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität oder queeren Lebensweise benachteiligt oder herabgewürdigt worden zu sein, dann gilt: Ihr seid nicht allein – und ihr habt Rechte.



X. Beratung & Hilfe bei Diskriminierung
Antidiskriminierungsstelle des Bundes
https://www.antidiskriminierungsstelle.de

Antidiskriminierungsverband Deutschland e. V.
https://www.antidiskriminierung.org/

LSVD – Lesben- und Schwulenverband in Deutschland
https://www.lsvd.de/

-ABH

(Dieser Beitrag wurde mit größter Sorgfalt und nach dem Stand der Rechtslage zum 11. April 2025 verfasst. Er dient ausschließlich der allgemeinen Information und stellt keine rechtliche Beratung im Einzelfall dar. Trotz sorgfältiger und gewissenhafter Prüfung wird keine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität der enthaltenen Informationen übernommen. Gesetzesänderungen, Rechtsprechungsentwicklungen oder abweichende Auslegungen können die Rechtslage jederzeit verändern. Für verbindliche Auskünfte wenden Sie sich bitte an eine rechtskundige Stelle oder eine anwaltliche Beratung.)



[1] Zeitverwendungserhebung (ZVE) 2022 – Destatis – Stand 28. März 2024
[2] BGBl - Jahrgang 2006 Teil I Nr. 39, ausgegeben zu Bonn am 17. August 2006
[3] BeckKoBGB/Grüneberg 23. Aufl. 2023, AGG § 2 Rn. 8-10
[4] MüKoBGB/Thüsing, 10. Aufl. 2025, AGG § 1 Rn. 54
[5] MüKoBGB/Thüsing, 10. Aufl. 2025, AGG § 1 Rn. 55
[6] MüKoBGB/Thüsing, 10. Aufl. 2025, AGG § 1 Rn. 22
[7] BeckKoBGB/Grüneberg 23. Aufl. 2023, AGG § 1 Rn. 10
[8] ErfK/Schlachter AGG § 8 Rn. 6
[9] ErfK/Schlachter AGG § 8 Rn. 8
[10] ErfK/Schlachter AGG § 9 Rn. 1
[11] BVerfG, Bes. v. 22.10.2014 – 2 BvR 661/12 Rn. 8
[12] ErfK/Schlachter AGG § 9 Rn. 4, 5
[13] Deutsche Bischofskonferenz 2025 – Aufgerufen am 11.04.2025
[14] NZA, 17.04.2018, Nr. 569 u. NZA, 11.09.2018, Nr. 1187
[15] MüKoBGB/Thüsing AGG § 3 Rn. 10
[16] BeckKoBGB/Grüneberg 23. Aufl. 2023, AGG § 3 Rn. 2
[17] BeckKoBGB/Grüneberg 23. Aufl. 2023, AGG § 3 Rn. 3
[18] BAG, Urt. v. 25.10.2007 - 8 AZR 593/06 Rn. 62 - 65
[19] BeckKoBGB/Grüneberg 23. Aufl. 2023, AGG § 3 Rn. 4
[20] MüKoBGB/Thüsing AGG § 3 Rn. 56-59
[21] BeckKoBGB/Grüneberg 23. Aufl. 2023, AGG § 3 Rn. 7-8
[22] BeckKoBGB/Grüneberg 23. Aufl. 2023, AGG § 12 Rn. 2-I
[23] BeckKoBGB/Grüneberg 23. Aufl. 2023, AGG § 12 Rn. 2-IV
[24] BeckKoBGB/Grüneberg 23. Aufl. 2023, AGG § 13 Rn. 2
[25] BeckKoBGB/Grüneberg 23. Aufl. 2023, AGG § 13 Rn. 2, SpS. 3 u. 4
 
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Hey Adrian,

erstmal danke für deinen Beitrag – der war echt interessant und super verständlich geschrieben. Man merkt, dass du dir Mühe gegeben hast, das Thema gut aufzubereiten. Besonders cool fand ich die konkreten Beispiele, das macht’s irgendwie greifbarer.

Beim Lesen sind mir ein paar Fragen gekommen:
  1. Was kann man machen, wenn die Führungskraft auf eine Beschwerde gar nicht reagiert?
  2. Gibt’s auch Anlaufstellen außerhalb vom Betrieb, an die man sich wenden kann?
  3. Gilt das AGG eigentlich auch bei Praktika oder Minijobs?
  4. Und wie kann man eigentlich Kolleg*innen gut unterstützen, wenn man mitbekommt, dass sie diskriminiert werden?
 
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Hey Adrian,

erstmal danke für deinen Beitrag – der war echt interessant und super verständlich geschrieben. Man merkt, dass du dir Mühe gegeben hast, das Thema gut aufzubereiten. Besonders cool fand ich die konkreten Beispiele, das macht’s irgendwie greifbarer.
Vielen Dank für die netten wort und die Kudos!
Beim Lesen sind mir ein paar Fragen gekommen:
  1. Was kann man machen, wenn die Führungskraft auf eine Beschwerde gar nicht reagiert?
Sollte eine Führungskraft nicht reagieren, obwohl Sie in der Hierarchie zur Handlung verpflichtet wäre, kann das unter Umständen dem Arbeitgeber zugerechnet werden. Das ist das sogenannte Organisationsverschulden. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber selbst haftet und unter Umständen für Schadenersatz oder Schmerzengeld aufkommen muss. Sollte auch ein zweiter Versuch oder ein Versuch über einen eventuellen Betriebsrat keine Früchte tragen, steht einem der Rechtsweg offen.
In besonders schwerwiegenden Fällen, primär bei dem Punkt der Belästigung, steht der betroffenen Person ein Zurückbehaltungsrecht der Arbeitsleistung zu. Das ergeht aus § 14 AGG, heißt; man kann seine Arbeit einstellen ohne Verlust des Arbeitsentgelts.
  1. Gibt’s auch Anlaufstellen außerhalb vom Betrieb, an die man sich wenden kann?
Ja, es gibt einige externe Anlaufstellen. Im letzten Absatz meines Beitrages habe ich die eingängigsten drei bereits aufgezählt:
Beratung & Hilfe bei Diskriminierung
Antidiskriminierungsstelle des Bundes
https://www.antidiskriminierungsstelle.de

Antidiskriminierungsverband Deutschland e. V.
https://www.antidiskriminierung.org/

LSVD – Lesben- und Schwulenverband in Deutschland
https://www.lsvd.de/
  1. Gilt das AGG eigentlich auch bei Praktika oder Minijobs?
Das AGG findet grundlegend Anwendung in der Arbeitswelt, sowie in den anderen oben genannten Bereichen. Ob das jetzt ein Praktikum, eine Teilzeitstelle, eine Vollzeitstelle oder ein Minijob sind, ist nicht ausschlaggebend.
  1. Und wie kann man eigentlich Kolleg*innen gut unterstützen, wenn man mitbekommt, dass sie diskriminiert werden?
Ich glaube, der erste Schritt wird in der Praxis der sein, dass man mit der diskriminierten Kolleg*in darüber spricht. Direkte Kommunikation ist erstmal immer am Zielführendsten – von dem Punkt aus kann man dann weitere Entscheidungen treffen oder Wege einschlagen. Nichtsdestoweniger steht auch dir das recht zu Beschwerde einzureichen, auch wenn du nicht derjenige bist, welcher von der Diskriminierung betroffen ist.
 
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Apr.
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Hellloooo,
wirklich sehr interessanter Beitrag und sehr schön erklärt.
Nur um sicherzugehen ob ich das richtig verstanden habe.
Dürfte die katholische Kirche Bewerber aufgrund ihrer Sexualität ablehnen?
Weil das wäre doch unmittelbare Diskriminierung aber ist , nach meinem Verständnis, durch die Loyalitätsverpflichtung gedeckt. Oder nicht?
 
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Apr.
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Politiker
Hellloooo,
wirklich sehr interessanter Beitrag und sehr schön erklärt.
Vielen Dank.
Dürfte die katholische Kirche Bewerber aufgrund ihrer Sexualität ablehnen?
Weil das wäre doch unmittelbare Diskriminierung aber ist , nach meinem Verständnis, durch die Loyalitätsverpflichtung gedeckt. Oder nicht?
Für mein dahinhalten reicht die reine Sexualität nicht aus um eine Bewerbung abzulenen.
Es muss sich die Frage gestellt werden, wann ist denn eine Ablehnung und oder auch eine Kündigung aufgrund von "Loyalitätsbruch" konfrom.
Das ist nur möglich, wenn der Arbeitnehmer sich der ihm vertraglich auferlegten Loyalitätsanforderungen nicht gerecht wird, oder vorausscihtlich ist, dass er ihnen nicht gerecht werden kann.
Allein das Homosexuell sein dürfte eine Ablehnung nicht ermöglichen, denn auch wenn die katholische Kirche Homosexualität ablehnt, dürfte die Homosexualität an sich noch kein Loyalitätsverstoß darstellen.
Erst wenn der homosexuelle Arbeitnehmer eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft, Lebenspartnerschaft oder Ehe eingeht, verstößt er gegen die Grundordnung der katholischen Kirche durch einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß, da diese Handlung nach den konkreten Umständen objektiv geeignet ist, ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen und die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen.
 
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